Die Wohnstätte Claus-Sinjen-Straße in Kronshagen in die jüngste Wohnstätte der Werk- und Betreuungsstätte für Körperbehinderte GmbH Ottendorf. Im Frühjahr 2007 begann Michael, in der Claus-Sinjen-Straße zu arbeiten. Schnell entstand die Idee, mit den Bewohnerînnen einen Dokumentarfilm zu drehen. Die sechzehn Bewohnerînnen unterschieden sich gravierend: Im Alter, wie auch in den Behinderungsbildern. Die großen Unterschiede schlossen ein breites Spektrum an Themen und Konflikten auf. Im Zentrum stand dabei immer das Selbstverständnis der behinderten Menschen und ihre Emanzipation von Angehörigen und Assistenten.
Im Herbst 2009 stellten wie die Idee bei Bewohnerînnen, Angehörigen und Geschäftsführung vor. Die meisten Beteiligten waren sehr begeistert. Viele Eltern zeigten sich gerührt von unserem Interesse, besonders Garnett und Christian Traeger sagte uns volle Unterstützung für das Projekt zu: Sie wollten offen und ehrlich die Geschichte ihrer Tochter Yara erzählen.
Wir gaben uns eine klare Leitlinie: Der Film sollte aus Perspektive der Bewohnerînnen erzählen. Wir würden die Behinderungen nicht erklären, es sollte auch keinen externen Voice Over geben. Formal senkten wir die Kamera aus der üblichen Höhe des Fußgängers auf Rollstuhlhöhe und filmten konsequent aus Untersicht: Selbst wenn dabei stehenden Assistenten die Köpfe abgeschnitten wurden.
Eine Finanzierung konnte nicht gefunden werden: Sowohl der öffentliche Rundfunk als auch die Filmförderung Schleswig-Holstein winkten ab. Nach Fertigstellung des Projektes bekamen wir immerhin eine Vertriebsförderung für die Produktion der DVD.
Im Frühjahr 2010 begannen wir, regelmäßig in der Wohnstätte zu drehen. Wir begleiteten Frühdienst und Spätdienst, um die Tagesstruktur einzufangen. Dabei zeigte sich schnell, welche Bewohnerînnen uns gerne von sich erzählen wollten und welche nicht. Hauptfiguren wurden Ruth Krokowski, Yara Traeger und Gunnar Lenz.
Der fiktionale "Bankraub" des Bewohners Justus Reichhelm bot uns die Möglichkeit, pointiert und humorvoll pädagogische Einstellungen zu hinterfragen: Eingliederungshilfe, Inklusion und Loslösung der Bewohner von ihrem Elternhaus. Eine besondere Herausforderung der Montage war das Ausbalancieren von lustigen und traurigen Szenen. Bankraub, Wasserschlacht oder Hansapark zeigen die lebensfrohen Seiten der Bewohnerînnen. Erzählungen von Familie Traeger oder Tod und Beerdigung von Ruths Mutter Johanna geben dem Film immer wieder die nötige Tiefe.
Die Geschichte von Yara Traeger wird illustriert durch fünf kurze Zeichentrick-Animationen von der Künstlerin Franziska Ludwig.
Das Einspielen der Filmmusik bot eine gute Möglichkeit, Bewohnerînnen in die Film-Produktion einzubeziehen. Bereits im Jahr 2011 kamen die Kieler Jazzmusiker Jens Tolksdorf und Willem Strank immer wieder in die Wohnstätte, um mit den Bewohnern Musik zu machen. Alle Bewohnerînnen waren eingeladen, mitzumachen. Am Ende blieben aber nur drei engagierte Musikerînnen übrig: Sonja Lehnhardt, Gunnar Lenz und Gerd Staak. Sonja und Gerd traten im Februar 2012 auch im Kieler Schloss auf, im Rahmen des Karnevals für Menschen mit Behinderung.
Im Sommer 2012 spielten Sonja, Gunnar und Gerd die Filmmusik ein, begleitet von den Musikern Lämodost van Aaken (Violoncello), Michael Hergt (Gitarre, Geige), Willem Strank (Klavier, Geige), Jens Tolksdorf (Klarinette, Saxophon, Trompete) und Sven Zimmerann (Bässe). Bei der Premierenfeier 2014 trat die Musikgruppe noch ein letztes Mal gemeinsam auf. (2018 wurde die Claus-Sinjen-Band in veränderter Form reaktiviert, um Musik für den Videoblog "Hoffmanns Erzählungen" einzuspielen.)
Am Freitag, 28.03.2014 feierte der Film "Nachbarn rollen vorüber" seine Premiere beim 18. Filmfest Schleswig-Holstein, im kommunalen Kino in der Pumpe in Kiel. Im selben Jahr lief er auch auf den Nordischen Filmtagen in Lübeck. Von der Stadt Kiel bekam der Film einen Inklusionspreis verliehen.
Seit November 2014 ist der Film auf DVD erhältlich. Er ist 117 Minuten lang und enthält deutsche Untertitel. Auf DVD kostet er 10,- Euro, ggf. zuzüglich Versandgebühren. Ein MKV mit englischen Untertiteln kann ebenfalls geliefert werden, auf USB-Stick. Der Filmsoundtrack ist auf CD erschienen, einige wenige Restexemplare sind noch lieferbar. Der Film kann gekauft werden direkt in der Wohnstätte Claus-Sinjen-Straße oder auch online, bitte per mail über: inga.sindt@odernicht.com.
Im Moment ist der Nachbarn-Film auch kostenlos in voller Länge auf unserer YouTube-Seite zu sehen:
Wir bedanken uns sehr herzlich bei den Bewohnerînnen der Claus-Sinjen-Straße für ihr Engagement bei den Dreharbeiten. Wir danken Familie Traeger und Familie Krokowski für die Bereitschaft, ihre schwierigen Familiengeschichten offen zu teilen. Und wir gedenken Gunnar Lenz, der im Frühjahr 2016 verstarb. Wir vermissen ihn sehr.