Gespenster in der Literatur des 19. Jahrhunderts

Der Diskurs des Wiedergängers in der deutschsprachigen und skandinavischen Literatur des 19. Jahrhunderts

Magisterarbeit

 

im Fach Neuere Deutsche Literaturwissenschaft

Inga Sindt

2009

aus der Einleitung:

 

"Allgemein gefasst entspringt der Grund des Wiedergehens aus einem unausgeglichenen Verhältnis des Toten zur Nachwelt. Es findet sich ein großes Spektrum an Erscheinungsformen, deren häufigste Variante die akustische Spukmanifestation darstellt, die sich zumeist in Geräuschen, nur in absoluten Ausnahmefällen in Sprechakten des Gespensts äußert: Gespenster sprechen „nur im Notfall oder unter Zwang“.

Visuelle Manifestationen können von gestaltlosen Helligkeitserscheinungen bis hin zu vollkörperlicher Präsenz alle Stufen abdecken, jedoch besitzen die Gespenster des Volksglaubens weder Schatten noch Spiegelbild.

Manche Gespenster zeigen sich nur partiell – meist nur Gesicht oder Hand – andere nur selektiv speziell geistersichtigen Personen. Die Manifestation des Gespensts unterliegt dabei stets dem ökonomischen Prinzip des Energiesparens.

Das Aussehen der visuellen Gespenster stellt einen Kompromiss zwischen der Wiedererkennbarkeit der Person und der Erfahrung des körperlichen Verfalls im Grabe dar, weshalb die meisten Gespenster mit wenig äußerer Attraktivität gesegnet sind. Sie nehmen häufig Attribute aus dem Leben oder aus ihrer Todesstunde mit in ihr Wiedergängerdasein hinüber, wie z.B. Kleidung oder Wunden, was beides auch auf ihre Todesart hinweisen kann.

Des Weiteren sind Gespenster des Volksglaubens zumeist an bestimmte – oft unheimliche – Orte gebunden, an Todesplätze oder gerade solche Orte, die dem Gespenst zu Lebzeiten wichtig waren.

Das Gespenst ist zudem meist räumlich fixiert, kann seinen Radius aber in bestimmter Mission (z.B. der Totenbräutigam zum „Heimholen“ seiner Braut) verlassen.

Zeitlich ist ihr Erscheinen v.a. auf die Dunkelheit der Nacht begrenzt, vielerorts halten sich die Gespenster auch an eine spezielle Geisterstunde, die i.d.R. von Mitternacht bis ein Uhr anberaumt ist. Sie halten sich zudem oft an regelmäßige Intervalle ihres Erscheinens oder an besondere Anlässe."


(Sindt, 2009: 3-4)

 


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