Zwischen 2001 und 2009 arbeitete ich an einer umfangreichen Erzählsammlung mit dem Arbeitstitel "Übergangslösungen". Viele Geschichten beschäftigten sich mit Familie Rabel: Einer alleinerziehenden Mutter mit ihren beiden Töchtern Friederike und Annegret. Ein Großteil der Rabel-Geschichten ist inzwischen in das Hoffmann-Projekt emigriert: In leicht veränderter Form werden Friederike und Annegret voraussichtlich im <zweiten Roman> als Töchter von Marie Amalie Hoffmann auftreten.
In der Urform der Rabelgeschichten unternahm die Familie einen Urlaubsreise in die eigene Wohnung. Die Idee entstand aus eigener Erfahrung: Ich hatte kein Geld für eine Urlaubsreise und machte mir den Urlaub in der eigenen Stadt interessant, in dem ich versuchte, die Stadt fremd und neu wahrzunehmen.
Prosa versus Film
Schnell fiel mir auf, dass sich diese Idee nur unzureichend in Prosa umsetzen ließ. Im Schrifttext musste ich die Familie entweder in den Urlaub fahren lassen und dann nach und nach enthüllen, dass sie doch in der eigenen Stadt geblieben waren... Oder ich musste die Idee von Anfang an reflexiv erklären. Beide Möglichkeiten waren nicht zufriedenstellend, es machte keinen Spaß, sie zu lesen.
Mir wurde klar, dass ich ein anderes Medium brauchte, das mehr als nur eine Erzählebene bot: Das Medium Film, mit den zwei Textspuren Bild und Ton. - Wer die Augen schloss und nur der Tonspur zuhörte, würde denken, die Familie sei tatsächlich in einer fremden Stadt. - Wer den Ton stumm schaltete und nur die Bildspur ansah, würde erkennen, dass sie in der eigenen Stadt blieb. Und nur wenn Bild und Ton zusammenkamen, würde die Diskrepanz den eigentlichen Effekt erzielen: Subtil und ohne rationale Reflexion.
Sarah Roloff
Im Jahr 2007 hatte ich noch keine praktische Erfahrung mit dem Medium Film. Bis auf das Videotagebuch über die Kamerunreise hatte ich noch nicht selber gefilmt, geschweige denn Schauspieler geführt oder komplex geschnitten. Ich beschloss, die Regie des Rabel-Filmes abzugeben an die befreundete Zeichnerin und Filmemacherin Sarah Roloff, weil ich sehr beeindruckt war von ihrem 2007 entstandenen Kurzfilm "Sieben Versuche zu fliegen".
Sarah mochte meine Idee und sagte zu: Unter der Bedingung, das Drehbuch noch einmal gründlich zu überarbeiten und den Schwerpunkt von der vagen Grundidee weg mehr auf die Figuren und ihre Interaktionen zu lenken. Das fertige Drehbuch und der entstandene Film sind also eine Gemeinschaftsarbeit.
Cast & Crew
Während Sarah und ich in die Vorproduktion gingen, lernten wir außerdem die Filmemacherin Linnéa Kviske kennen. Linnéa und ich beschlossen, Sarahs Dreharbeiten filmisch zu begleiten und dem Kinder-Kurzfilm ein Kinder-Making of hinzuzufügen. In Gesa Penthin und Ruby Winter fanden wir wunderbare Schauspieler für die Rollen von Friederike und Annegret. Die Schauspielerin Sina Magdalena Morcinek übernahm die Rolle der Mutter, die bekannte Filmschauspielerin Ina Holst die Rolle von Herzeleide. Mein Vater Friedrich Hergt ist in einer stummen Nebenrolle als Postbote zu sehen.
Im Sommer 2008 drehten wir komprimiert und kompakt an insgesamt 12 Tagen das komplexe Drehbuch ab. Sarah ging in den Filmschnitt, der Filmemacher und Musiker Aron Krause, der schon die Kamera geführt hatte, komponierte außerdem die wunderbare Filmmusik. Im Making of erklären die Filmemacher ihre Arbeit.
Im Anschluss an den Familie-Rabel-Film realisierten Linnéa und ich den abendfüllenden Dokumentarfilm Nachbarn rollen vorüber über die Wohnstätte Claus-Sinjen-Straße.